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Baden-Württemberg

„Lernen von Pornos?“ Mehr Bildung und Prävention für Kinder und Jugendliche zum Thema Internetpornographie

Veröffentlicht am 31.07.2023 in Pressemitteilungen

Unter dieser provokanten Überschrift hat die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in Baden-Württemberg am 19.7.2023 zu einem gut besuchten Online-Fachgespräch mit vier Vertreter*innen aus der Jugendarbeit, der Frauenberatung, von Lehrer*innen und der Bildungspolitik eingeladen. Diskutiert wurde zum Thema: „Was tun wir gegen den Einfluss sexualisierter Gewalt auf Jugendliche im digitalen Raum?“ Fazit: Es muss dringend mehr Prävention durch gezielte Medienbildung in Schulen zu diesem Thema stattfinden.

Kinder kommen heute im Durchschnitt bereits im Alter von 10-11 Jahren erstmals in Kontakt mit Internetpornografie. Mit dem eigenen Smartphone gelangt man mit zwei Klicks auf die entsprechenden Seiten oder Videos werden in den sozialen Medien geteilt. Problematisch ist insbesondere, dass in einem Großteil dieses pornographischen Materials Frauen Gewalt, Schmerzen und Demütigung erleiden, Männer dagegen als gewalttägig und dominant dargestellt werden.
„Bevor Jugendliche ihre eigene Sexualität entwickeln können, kommen sie so in Kontakt mit sexualisierter Gewalt“, führte die kommissarische ASF-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Schmid-Hagenmeyer aus. Dies fördere die Entwicklung stereotyper Geschlechterrollen und die Normalisierung von sexualisierter Gewalt auch zwischen Jugendlichen.

"Lernen aus Pornos“ bedeute, dass Mädchen meinen, sie müssten das aushalten, Jungen entwickeln Versagensängste, so der Medienpädagoge Jürgen Held vom Jugendamt Mannheim. Da im digitalen Raum ein technischer Jugendschutz kaum effektiv möglich sei, wie z.B. durch Altersschranken bei Pornoseiten, seien hier Jugendschutz durch Prävention und Bildung zentral und bisher viel zu gering.

Allerdings sollen sich die Betreiber*innen von Porno-Plattformen nicht aus der Verantwortung stehlen dürfen, erklärte eine Psychologin der Fachberatungsstelle Frauen- und Mädchennotruf in Mannheim: Das Mindeste sei deren Verpflichtung zum Verlinken von Unterstützungsangeboten für den Ausstieg. Außerdem berge regelmäßiger Pornokonsum ein erhebliches Suchtpotential, so die Ausführungen der Psychologin. Die Folge sei auch eine Abstumpfung gegenüber Gewalt und die Zunahme von sexuellen und körperlichen Übergriffen gegenüber Kindern sowie jungen und erwachsenen Frauen. Dass die partnerschaftliche Gewalt gegen Frauen zunimmt, zeigen die aktuellen Zahlen des BKA. Das bestätigte auch die Co-Moderatorin Nazan Kapan, Geschäftsführerin des Mannheimer Frauenhaus e.V. und Vorstandsmitglied der ASF: „Daher ist es auch sehr wichtig, vorhandene Fachberatungsstellen und Frauenhäuser finanziell abzusichern und weiter auszubauen.“

„Was tun?“: Alle Vertreter*innen betonten, dass das Thema deutlich mehr Beachtung benötige. Sie forderten unisono mehr Prävention durch gezielte Medienbildung in Schulen, Aufklärung von Eltern und durch Presseberichte, damit Jugendliche in eine wirklich selbstbestimmte Sexualität hineinwachsen können, ohne in diesem Bereich Gewalterfahrungen zu machen. Schwerpunkt der Präventionsarbeit sei die Medienbildung an Schulen. „Aktuell sind Lehrer*innen für den Umgang mit Vorkommnissen sexualisierter Gewalt nicht aus- bzw. fortgebildet. Die Schulsozialarbeit müsste dringend aufgestockt werden und meist fehlen Präventions- und Schutzkonzepte an den Schulen“, so Farina Semler, stellv. Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg.

Die Verbesserung von Elterninformation und die Einrichtung von Peergroups für den Erfahrungsaustausch bzw. die Unterstützung müssten als weitere Pfeiler der Präventionsarbeit eingerichtet werden, forderte Jürgen Held.

Entsprechenden Handlungsbedarf sieht auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Dr. Stefan Fulst-Blei und schlägt die Einrichtung eines verbindlichen Unterrichtsinhalts im Fach Medienbildung mit dem Hinblick auf sexualisierte Gewaltdarstellungen im Internet vor. Die Politik sei gefordert, die entsprechenden finanziellen Mittel für diese Bildungs- und Präventionsarbeit bereitzustellen, z. B. für die notwendige Fortbildung der Lehrer*innen oder schulische Veranstaltungen mit externen Anbietern*innen.